Kinderfrei statt kinderlos?

» Ich würde das nicht kinderfrei nennen! «,
war eine der ersten Messages, die ich von einer Followerin auf Instagram bekam, als ich mit meiner neuen Positionierung sichtbar wurde.

Und weißt du was? Ich hab mich darüber nicht eine Sekunde gewundert.

Denn seit ich mich mit dem Thema »Kinderfreies Leben « beschäftige, jongliere ich in meinem Kopf Begriffe hin und her, weil das bestehende » kinderfrei statt kinderlos « mich irgendwie unzufrieden zurücklässt. So, als hätte ich ‘nen Snack verputzt und sei nicht so richtig satt.
Als würde mir noch irgendwas fehlen.

Vor einigen Wochen habe ich einen Gast-Artikel in dem Online Blogazine » This is a fem’s world « veröffentlicht, bei dem ich » freiwillig kinderlos « in der Überschrift genutzt habe. Einige kinderfreie Frauen reagierten daraufhin in den Kommentaren und äußerten, dieser Begriff sei nicht korrekt. Wer bewusst keine Kinder habe, sei kinderfrei. Das dürfe man keinesfalls verwechseln, denn kinderlose Frauen würden unter ihrer ungewollten Kinderlosigkeit leiden.

Sollte es wirklich so einfach sein? I doubt it…

Lasst uns über die bestehenden Begriffe sprechen.
Denn » kinderfrei statt kinderlos « bildet die Vielfalt der kinderfrei/kinderlosen Community im DACH – Raum aus meiner Sicht einfach nicht ausreichend ab.

Kinderlos vs. kinderfrei

» Kinderlos « ist das Wort, welches mir am häufigsten begegnet ist, als ich angefangen habe, über die Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit dem Leben ohne Kinder zu recherchieren.

Das Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend spricht in einer Publikation¹ von » Gewollter Kinderloskigkeit « oder auch » Kinderlosigkeit aus Prinzip «. Ein eigenes Wort für die gewollte Kinderlosigkeit sucht man hier vergebens.

Und da geht’s dann auch schon los mit der Unklarheit.  Denn mit dem Adjektiv » kinderlos « wird gemeinhin tatsächlich eher die ungewollte Kinderlosigkeit bezeichnet. Und die steht natürlich in krassem Widerspruch zu der bewussten Entscheidung für ein Leben ohne Kinder – zumindest auf den ersten Blick.

» Ich bin nicht kinderlos, denn mir fehlt ja nichts. «

Wer könnte wohl die Frage nach den passenden Begriffen besser beantworten, als die Frauen, die bewusst ohne Kinder leben. Also habe ich mit einigen von ihnen gesprochen und sie gefragt, wie sie sich selbst bezeichnen.

Einzelne Frauen stellten sofort  klar: » Kinderlos? Ich bin nicht kinderlos, denn mir fehlt ja nichts. « Fair enough und auch logisch, finde ich. Heißt das also, dass das Wort » kinderlos « raus ist, sobald es um Frauen geht, die diese Entscheidung freiwillig getroffen haben?

Und es ist ja wirklich so, dass Worte mit dem kleinen Anhang -los in unserem Sprachgebrauch oft einen Mangelzustand beschreiben.
» Chancen-los «, » ruhe-los « oder » hoffnungs-los «, um nur ein paar zu nennen. Doch gleichzeitig fallen mir die Worte » sorg-los « ein, oder » schwere-los « und diese Begriffe sind ja wohl zumindest einmal neutral.

Wie wäre es dann also mit » kinderfrei «  statt » kinderlos « ? » Kinderfrei « ist ein, durch die in der Community der freiwillig kinderlosen Frauen, geprägter Begriff, der als empowernd empfunden wird. Sehr viele Menschen, die sich länger mit dem Thema befassen und sich bewusst gegen Kinder entschieden haben, bezeichnen sich ganz selbstverständlich als » kinderfrei «.

Aus der Sicht der bewusst kinderfreien Frauen impliziert dieses Wort keinen Verlust, wie er beim Begriff » kinderlos « unterstellt werden kann. Er betont vielmehr die bewusste, selbstbestimmte Entscheidung für ein Leben ohne Kinder.

Das Wort » kinderfrei « ist aus genau diesem Grund für viele Frauen in der Community wichtig. Es geht darum, ein Statement zu setzen.
Wir sind frei. Uns fehlt nichts! Nada. Find ich persönlich so richtig großartig.

Es gibt also so gesehen sehr viele Argumente dafür, das Wort » kinderfrei « zu nutzen, wenn man sich bewusst dafür entscheidet, ohne Kinder zu leben.

» Kinderfrei «, ganz schön doppeldeutig.

Doch ganz so easy-peasy ist es dann halt doch nicht. Ich habe mit Frauen gesprochen, die sich in dem Wort » kinderfrei « nicht wiederfinden. Und das, obwohl ihre Entscheidung gegen eigene Kinder eine sehr bewusste ist.

Das sind beispielsweise Frauen, für die zwar eine eigene Mutterschaft nicht infrage kommt, die jedoch ihre Nichten oder Patenkinder über alles lieben und gern mit ihnen Zeit verbringen. Diese Frauen sind weit davon entfernt, sich von Kindern » befreien « zu wollen. Und sei es nur in ihrer Sprache.

Frauen, die sich erst seit kurzer Zeit mit dem Thema » Bewusste Kinderlosigkeit « befasst haben, und/oder noch nicht ganz entschlossen sind, fremdeln ebenfalls häufig erst einmal mit dem Begriff » kinderfrei «.  Sie können sich damit nicht identifizieren.

Und mir ist bei meinen Recherchen zur Bezeichnung » kinderfrei « noch etwas aufgefallen: Die Bezeichnung wird im deutschsprachigen Raum häufig von Eltern genutzt, wenn sie Zeit ohne ihre Kinder verbringen. Sucht man auf Instagram nach dem Hashtag #kinderfrei, gesellen sich zu den Suchergebnissen nicht selten auch #datenight #nurduundich #metime. Nunja.

Soweit, so unklar.

Werfen wir doch einmal einen Blick auf die internationale Community:
Auch dort wird die Unterscheidung zwischen » -los « und » -frei « gemacht.

Das Wort » childfree « ist gerade im amerikanischen Raum, wo die Bewegung schon sehr viel größer ist, sehr verbreitet und wird dort sehr selbstverständlich in der kinderfreien Community genutzt. Die Identifikation mit dem Begriff » childfree « ist stark und augenscheinlich eindeutig.

Teilweise wird jedoch der Zusatz » by choice « (frei gewählt) oder » by circumstance « (durch Umstände) hinzugefügt, was uns einen Hinweis darauf gibt, dass das Wort » childfree «  auch dort Raum für Uneindeutigkeit lässt.

Ich bin einfach eine Frau, die ihr Leben lebt.

Aber zurück zur deutschen Sprache:

» Was? Warum kinderfrei? Warum überhaupt einen Begriff dafür? Ich bin einfach eine Frau, die ihr Leben lebt! «, stellte eine geschätzte Kollegin sinngemäß fest, als ich mit ihr über das Thema sprach.

Und eine gute Freundin von mir, die ebenfalls kinderfrei lebt, konstatierte: » Warum muss in so einer Bezeichnung überhaupt das Wort
› Kind ‹ vorkommen? Ich meine, ist das nicht absurd? Wir richten unser Leben nach anderen Zielen aus. Dann finden wir einen Begriff, der diesen Lifestyle beschreibt und bringen das Wort › Kind ‹ darin unter. «

Ich finde, beide haben da einen echt guten Punkt.

Kinderfreies Leben ist ein Spektrum, keine Skala!

» Wir brauchen ein neues Wort! « habe ich mehr als einmal gehört, als ich mit Frauen über die bestehenden Begrifflichkeiten gesprochen habe.

Und klar würde ich nun gern einen neuen Begriff als Vorschlag – wie so ein weißes, flauschiges Kaninchen – aus dem Hut zaubern und dir präsentieren. Ein Andermal vielleicht.

Ich hab dafür was anderes. Eine Erkenntnis, eine Idee, mit der du vielleicht auch was anfangen kannst:

Kinderfreies Leben ist ein Spektrum, keine Skala.
Es gibt sie nicht immer, diese Trennschärfe zwischen » kinderlos « und » kinderfrei «.

Was ist mit den Frauen, die zunächst ungewollt, dann gewollt kinderlos sind? Oder den Frauen, die ihre Meinung ändern?
Ich glaube, die Übergänge sind so häufig fließend.

Wir sind nicht nur die » kinderfreie « Frau oder » die Kinderlose «. Wir sind Menschen mit Träumen, Zielen und täglichen Herausforderungen. Wir sind Frauen, die eine lebensverändernde Entscheidung getroffen haben – oder noch nicht treffen konnten.
Und darüber sollten wir sprechen.

Wir sollten uns vielmehr über das definieren, was wir sind, als über das, was wir nicht haben.

Wir tun uns keinen Gefallen damit, uns gegenseitig in Schubladen zu pressen.

Und so unglaublich wichtig und kraftvoll ich die Begriffe finde, die aus der Community selbst stammen:
Ich finde, wir tun uns keinen Gefallen damit, uns innerhalb der Community gegenseitig in Schubladen zu pressen. Erst recht nicht, wenn es davon nur zwei gibt.

Ich kenne so viele grundverschiedene, kinderfreie oder noch nicht entschlossene Frauen. Jede ihrer Geschichten ist individuell und wertvoll. Ist es da nicht irgendwie echt merkwürdig, dass wir uns in zwei Kategorien teilen sollen?

Und wäre es nicht absurd, wenn wir, die wir so häufig von außen beurteilt werden, uns innerhalb der Community gegenseitig beurteilen würden? Wenn wir uns gegenseitig vorschreiben wollten, wie die jeweils andere ihren eigenen Lebensstil ohne Kinder bezeichnen darf?

Und deswegen lade ich dich heute ein, dich mit deinem Lifestyle selbst zu bezeichnen, wie auch immer du willst. Wenn du es willst. 

Guess what? Genau das tue ich auch. Ob nun » kinderfrei « statt » kinderlos «, » freiwillig kinderlos « oder » childfree by choice «, ich nutze all diese Begriffe für mich selbst. Und zwar so, wie es mir in der jeweiligen Situation passt.

Einzig der Begriff » kinderfreilos « ist mir persönlich ein bisschen zu wild, aber hey, –  whatever floats your boat.

Es gibt Gespräche, in denen spielt meine Entscheidung für ein kinderfreies Leben keinerlei Rolle, denn in erster Linie bin ich nämlich das:

Eine Frau, die macht, die ihr Leben lebt. Und genau das ist es, was ich uns allen wünsche.

Du wirst daher auch auf meiner Website, in meinem Podcast und in meinen Texten verschiedene Begriffe zur freiwilligen Kinderlosigkeit wiederfinden. 

Denn ich weiß, ich muss mich nicht entscheiden. Entscheidend ist für mich vielmehr, dass DU dich darin wiederfindest.

Quellen

¹Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/kinderlose-frauen-und-maenner-76016 zuletzt aufgerufen am 24.03.2022

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